Bis zu 70 einzelne Schritte müssen Maschinenbedienende ausführen, wenn sie eine Maschine bei der Firma Westfalia Metal Hoses GmbH in Hilchenbach einstellen wollen. Erfahrene Bedienende kennen die genaue Reihenfolge und wissen, auf welche Details sie achten müssen. Neue Kolleg:innen stellt das vor große Herausforderungen.
Der Hintergrund
Wie das Wissen von erfahrenen Fachkräften an unerfahrene weitergegeben werden kann, darum geht’s bei einem Projekt des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Siegen. Sven Hoffmann vom Kompetenzzentrum hat zusammen mit seinen Kolleg:innen eine Lösung entwickelt, die es erfahrenen Mitarbeitenden ermöglicht, neue und weniger erfahrene Kolleg:innen leichter anzulernen. Ohne dafür aufwändige Dokumentationen wie zum Beispiel eine Power-Point-Präsentation erstellen zu müssen. „Maschinenbedienende können die Anleitung erstellen, während sie die Maschine rüsten“, sagt Hoffmann. Er hat das Projekt zusammen mit dem Lehrstuhl für Umformtechnik und dem Siegener Mittelstandsinstitut an der Universität Siegen ins Leben gerufen. Hoffmann und seine Kolleg:innen haben zunächst per Eye-Tracking die einzelnen Arbeitsschritte von Maschinenbedienenden bei mehreren Firmen aufgezeichnet. „Die Unternehmen sind damals schon auf uns zugekommen, weil sie die Videos gerne als Anleitung für andere Bedienende nutzen wollten“, erklärt Hoffmann. So ist die Idee entstanden, eine Augmented-Reality-Brille für das Projekt einzusetzen.
Augmented Reality wird auch als erweiterte Realität bezeichnet. Das bedeutet, dass die reale Umgebung mit digitalen Inhalten angereichert wird, zum Beispiel mit Audio, Video oder 3D-Objekten. Und genau so wird es auch bei der Lösung von Sven Hoffmann und seinen Kollegen realisiert.
Die Lösung
Die Nutzer:innen tragen eine smarte Datenbrille, die die digitalen Inhalte direkt in das Sichtfeld projizieren. Dadurch haben sie die Hände frei. Als sie die Anwendung für die Brille gestaltet haben, war das gar nicht so einfach. „Man muss immer um fünf Ecken denken, denn es ist ja kein Bildschirm, der eine linke oder rechte Ecke hat“, erinnert Hoffmann sich. Dabei ist dann ein Prototyp entstanden, der den Wissenstransfer im Unternehmen sichern soll. Außerdem werden Sprachbarrieren überwunden, weil die digital abgebildeten Informationen auch ohne Text eindeutig sind. „Als nächstes mussten wir erstmal testen, ob die Mitarbeitenden damit klar kommen“, erzählt Hoffmann. Sie wollten wissen, ob es die Maschinenbedienenden stört, wenn sie am Arbeitsplatz eine Brille tragen müssen. Deshalb haben sie die Anwendung bei drei Firmen in Südwestfalen getestet. „Die Einrichter:innen kamen gut damit klar“, freut sich Hoffmann.
Die Umsetzung
Erfahrene Maschinenbedienende zeichnen die notwendigen Arbeitsvorgänge direkt während des Rüstvorganges an der Maschine auf. Weniger erfahrene Mitarbeitende können sich diesen Vorgang abrufen und so die Maschine selbstständig rüsten. Hoffmann und seinen Kolleg:innen ist es wichtig, dass dadurch keine erfahrenen Fachkräfte ersetzt werden sollen. So sei das bei den Maschinenbedienenden auch nicht angekommen. „Sie haben das Gefühl, dass sie Unterstützung bekommen“, hat er erfahren. Das bestätigt auch Marcus Hupertz, Production Manager bei Westfalia Metal Hoses in Hilchenbach. „Die Maschinenbedienenden waren von dem Projekt sofort begeistert und haben sich freiwillig gemeldet, um dabei zu sein“, sagt er.
Westfalia Metal Hoses beschäftigt etwa 170 Mitarbeitende am Standort in Hilchenbach. Das Unternehmen stellt komplexe, gasdichte Entkopplungselemente für Abgassysteme in der Nutzfahrzeugindustrie her. Wenn das Projekt mit der Augmented-Reality-Brille erfolgreich umgesetzt wird, ist auch ein Einsatz in anderen Bereichen des Unternehmens denkbar. „Das System kann für fast jede Maschine bei produzierenden Unternehmen eingesetzt werden“, erklärt Sven Hoffmann vom Kompetenzzentrum.
Ansprechpartner
Sven Hoffmann
hoffmann@kompetenzzentrum-siegen.digital
Telefon +49 271 740 2098