Mehr als zehn Unternehmen im südlichen Siegerland haben sich zusammengetan, um mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Siegen eine Mitfahr-App für ihre Beschäftigten zu starten. Die Unternehmen sind oft schlecht an das ÖPNV-Netz angebunden und vor allem für Auszubildende ist es schwer, zur Arbeit zu kommen. Durch die Mitfahrgelegenheiten sollen auch Parkflächen eingespart werden und der Individualverkehr und CO2-Ausstoß reduziert werden.
Die Ausgangslage
Wenn Fiona Metz zu ihrem Ausbildungsplatz fahren will, braucht sie etwa 15 Minuten mit dem Auto. Sie kommt aus Emmerzhausen im Westerwald, ihre Ausbildung macht sie bei der Firma eltherm production GmbH in Burbach. Zwischen Wohn- und Arbeitsort liegen nur elf Kilometer. „Trotzdem würde ich mit dem Zug oder Bus eineinhalb bis zwei Stunden zur Arbeit brauchen für eine Strecke“, sagt sie. Auch bei anderen Auszubildenden von eltherm geht es oft darum, wie die jungen Leute künftig ihren Arbeitsplatz erreichen. „Sie haben oft keine Chance, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Burbach ins Industriegebiet zu kommen“, sagt Marion Mittas, Personalleiterin bei eltherm.
Deshalb haben Mittas und ihre Kolleg:innen aus der Personalabteilung die Mitarbeitenden mit eigenem Auto angesprochen, ob sie bereit dazu wären, andere Kolleg:innen, die kein Auto haben, mitzunehmen. Mittlerweile klappt das recht gut. Als Mittas davon gehört hat, dass die HERING Unternehmensgruppe aus Burbach die Idee hatte, genau für solche Mitfahrgelegenheiten eine App zu starten, war sie sofort begeistert.
Die Idee
Denn auch die Firma HERING ist nur schlecht mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen. Hinzu kommt, dass das Unternehmen am Rande eines Wohngebiets ansässig ist und die firmeneigenen Parkflächen nicht so groß sind. „Fast jeder, der ein Auto hat, kommt auch mit dem zur Arbeit“, sagt Isabelle Kirschke, Ausbilderin bei HERING. Und wenn der Firmenparkplatz voll ist, parken die Mitarbeitenden weiter entfernt oder in der Nachbarschaft.
Deshalb wollte das Unternehmen nicht nur dafür sorgen, dass ihre Auszubildenden von Kolleg:innen mit zur Arbeit genommen werden, sondern dass durch Mitfahrgelegenheiten auch Parkflächen eingespart werden und der Individualverkehr und CO2-Ausstoß reduziert wird. Die IHK Siegen hat den Tipp gegeben, sich für die Umsetzung ans Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Siegen zu wenden. Das Kompetenzzentrum unterstützt kleine und mittlere Unternehmen bei der Digitalisierung.
Die Umsetzung
Dort ist Sebastian Zilles jetzt für das Projekt zuständig. Zuerst haben seine Kolleg:innen und er sich mit allen interessierten Unternehmen getroffen und Interviews mit Auszubildenden geführt. „Wir wollten herausfinden, wie die aktuelle Situation ist und was sich daran wie verbessern lässt“, erklärt er. In den Gesprächen mit den Auszubildenden kam heraus, dass sie eine Mitfahr-App sinnvoll finden und sie auch für Fahrten zur Berufsschule betriebsübergreifend nutzen würden. In mehreren Unternehmen läuft es aktuell so, wie bei eltherm, dass Mitfahrgelegenheiten individuell abgesprochen werden.
So ist das auch beim Hersteller von Faserlasern in Burbach, der IPG Laser GmbH. „Wir haben mehr als 30 Auszubildende. Wir klären direkt in ihrer ersten Arbeitswoche, welche Kolleg:innen sie mit zur Arbeit nehmen können“, berichtet Martina Blümling, Human Resources Director für Europa bei IPG Laser. Die jeweiligen Abteilungsleitenden sorgen dann dafür, dass die Azubis in derselben Schicht arbeiten können wie die Kolleg:innen, die sie mit zur Arbeit nehmen. „Wir erhoffen uns von einer Mitfahr-App, dass sich nicht nur Mitarbeitende unserer Firma miteinander absprechen können, sondern auch mit Kolleg:innen aus anderen Unternehmen“, erklärt Blümling.
Die Funktionsweise der App
Genau das ist das Ziel der Mitfahr-App. Sebastian Zilles und seine Kolleg:innen vom Kompetenzzentrum haben mittlerweile eine erste Testversion programmiert. Eine Herausforderung war es, die Privatsphäre der Nutzenden zu berücksichtigen. In der App kann jeder, der mit dem Auto zur Arbeit oder zur Berufsschule fahren will, eine Fahrt einstellen. Dafür gibt er Start, Ziel und Uhrzeit der Fahrt ein. Wer mitgenommen werden will, kann sich die entsprechenden Angebote für seine Route anzeigen lassen.
„Wir wollten aber nicht, dass dann jeder die Privatadresse des anderen sehen kann“, erklärt Zilles. Deshalb wird die Route des Anbietenden automatisch mit öffentlichen Punkten abgeglichen, also zum Beispiel Bushaltestellen, Supermärkte oder Parkplätze. Der Anbietende kann auswählen, an welchen Punkten er halten würde. Dort treffen sich dann Anbietende und Mitfahrende. So muss niemand seine Adresse herausgeben, der das nicht möchte. „Wir tun das Beste, um die Menschen an sicheren Orten zusammen zu bringen und ihre Privatsphäre zu schützen“, erklärt er.
Das Ziel
Mehr als zehn Unternehmen aus dem südlichen Siegerland sind inzwischen bei dem Projekt Mitfahr-App dabei, auch die IHK Siegen und die Gemeinden Burbach, Wilnsdorf und Neunkirchen unterstützen das Projekt. „Wir sind davon überzeugt, dass dieses Angebot unsere Unternehmen wirksam bei der Gewinnung von Fachkräften unterstützt und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zu einer umweltbewussten Mobilität unserer Bürgerinnen und Bürger leisten kann. Daher spielen wir im Sinne der Wirtschaftsförderung gerne unsere Stärken als Vermittler und Netzwerker aus, sodass die App nach Fertigstellung viele Unternehmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreicht“, sind sich Bürgermeisterin Christa Schuppler von der Gemeinde Wilnsdorf, Bürgermeister Christoph Ewers von der Gemeinde Burbach und Bürgermeister Dr. Bernhard Baumann von der Gemeinde Neunkirchen einig.
Auch die Firma Buhl Paperform aus Burbach macht mit. „Wir hatten schon gute Bewerber:innen, die wir gerne eingestellt hätten, aber es ist dann an der Mobilität gescheitert“, sagt Christina Walther, Personalleiterin bei Buhl.
Fiona Metz bei eltherm muss sich inzwischen nicht mehr von ihren Eltern zur Arbeit bringen lassen. Denn sie ist 18 Jahre alt geworden und hat ein eigenes Auto. Die Mitfahr-App würde sie nutzen, um andere Kolleg:innen mitzunehmen. „Ich finde das auch zum Kontakte knüpfen eine gute Idee. Dadurch könnte ich vielleicht jemanden kennenlernen, der in einem anderen Betrieb die gleiche Ausbildung macht, wie ich. So könnte man sich gegenseitig unterstützen, auch abseits vom Fahren.“
Ansprechpartner
Michael Ahmadi
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